Von Katharina Rohde und Gesche Schifferdecker
Die Entscheidung zu treffen, welcher Baum als Zukunftsbaum im Wald belassen wird und wachsen darf, und welcher Baum entnommen wird, ist nicht immer einfach. Schließlich spielen neben ökonomischen Parametern wie der Holzqualität und der Wuchsform auch ökologische Parameter, so genannte Mikrohabitate, wie beispielsweise tote Äste und Rindentaschen, bei der Entscheidung eine wichtige Rolle.
Um nachhaltige Forstwirtschaft und Naturschutz sinnvoll und anschaulich miteinander verbinden zu können, ist am 4. Juli 2018 das erste rheinland-pfälzische Marteloskop „Viergemeindewald“ eröffnet worden. Auf einer ca. 1 ha großen Waldfläche sind hier alle Bäume ab einem Brusthöhendurchmesser von 7 Zentimetern erfasst, vermessen und fortlaufend nummeriert. Zusätzlich sind für jeden Baum die ökonomischen sowie ökologischen Parameter aufgenommen.
Solch eine Übungsfläche nennt sich Marteloskop. Das Konzept wurde ursprünglich in Frankreich für Privatwälder entwickelt, und der Name leitet sich aus dem französischen Wort „martelage“, die Bezeichnung für „Auszeichnung“, und dem griechischen Wort „skopein“, was so viel heißt wie „schauen“, ab. Der Name bedeutet also, dass die Auszeichnung genauer betrachtet wird. Das Europäische Forstinstitut (EFI) hat das Konzept der Marteloskope in den vergangenen Jahren weiterentwickelt und ein Computer-Simulationsprogramm für Tablets und Smartphones konzipiert, mit dem waldbauliche Entscheidungen simuliert werden können, und das durch die digitalen Tools auch attraktiv für unterschiedliche Zielgruppen ist.
Die Bäume fallen mit Hilfe der dafür entwickelten Software „I+“ nur virtuell, deshalb können auf der Übungsfläche verschiedenste waldbauliche Strategien und Konzepte erprobt, und deren Folgen aus ökologischer sowie aus ökonomischer Sicht beleuchtet werden. So können die unterschiedlichen Gedankenansätze und Vorgehensweisen gemeinsam diskutiert und verglichen werden. Das ermöglicht auch den Blick über die eigene „Fachbrille“ hinaus.

Die Marteloskopfläche „Viergemeindeewald“ befindet sich im Kommunalwald, und die Errichtung wurde über eine Vereinbarung zwischen Landesforsten Rheinland-Pfalz und der Miteigentümerschaft Viergemeindewald abgeschlossen. Das Europäische Forstinstitut hat die Einrichtung unterstützt und fachlich begleitet. Über die Unterstützung der örtlichen Bürgermeister ist Landesforsten Rheinland-Pfalz sehr dankbar. Die Vereinbarung zeigt wieder einmal, wie eng verschiedene Waldeigentümer zusammenarbeiten und solche didaktisch wertvollen Flächen unterstützen.
Das Hauptziel eines Marteloskops ist, dass Forstleute waldbauliche Entscheidungen üben und somit lernen, die Integration von Biodiversitätsaspekten mehr zu berücksichtigen. Die verschiedenen Konsequenzen aus Erntemaßnahmen können veranschaulicht werden und sensibilisieren für integrative Waldwirtschaft.
Interessant ist ein Marteloskop auch für amtliche und nichtamtliche Naturschützer. Nicht nur, dass hier die Arbeit der Forstleute transparent wird, sondern auch die Entscheidungen, die unterschiedliche ökonomische und ökologische Konsequenzen haben, sind greifbarer und können diskutiert werden – am besten gemeinsam mit Forstleuten.
Im kommenden Jahr werden im Zuge des Bildungsprogramms von Landesforsten Rheinland-Pfalz Übungen im Marteloskop Viergemeindewald angeboten. Dort können interessierte Forstleute und NaturschützerInnen zusammenkommen und sich über verschiedene Gedankenansätze und Ergebnisse austauschen. In Zukunft ist noch ein weiteres Marteloskop am forstlichen Bildungszentrum von Landesforsten Rheinland-Pfalz in Hachenburg geplant.
Im Rahmen des Projekts Integrate+, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wurde, hat das Europäische Forstinstitut circa 40 Marteloskopflächen in ganz Europa eingerichtet, und zahlreiche weitere – zum Beispiel in Spanien, Polen und im deutschen Nordrhein-Westfalen – sind in Planung. Aktuell leitet das EFI das Nachfolgeprojekt von Integrate+, INFORMAR, in dem es um eine gegenseitiges Lernen zwischen ForstpraktikerInnen, PolitikvertreterInnen und WissenschaftlerInnen geht mit dem Ziel, Naturschutzaspekte dauerhaft in die Forstwirtschaft zu integrieren.