Von Klaus Striepen
Das Netzwerk der Marteloskope in Europa wächst immer weiter und damit auch die Ideen für deren Einsatzmöglichkeiten. Im Rahmen des europäischen LIFE+ Naturschutzprojektes „Villewälder“ wurde erstmals eine Übung für Bonner Bürgerinnen und Bürger durchgeführt. Diese wurde in Zusammenarbeit mit der Volkshochschule Bonn (Adult Education Center) organisiert. Die Veranstaltung fand bei wunderbarem Frühlingswetter am ersten Aprilwochenende 2019 im Marteloskop Jägerhäuschen statt, einem Eichenmischwald im Waldgebiet Kottenforst nahe der Großstadt Bonn. Die Betreuung der Teilnehmer erfolgte durch die Mitarbeiter des LIFE+ Projektes, Klaus Striepen vom Regionalforstamt Rhein-Sieg-Erft und Peter Tröltzsch von der Biologischen Station Bonn/ Rhein-Erft.
Nachdem das Marteloskop Jägerhäuschen bereits mehrfach für Übungen mit Fachleuten aus Forst- und Naturschutz genutzt wurde, ist die Arbeit mit Waldbesuchern ein absolutes Novum. Die Veranstaltung sollte die Frage beantworten, ob das Übungskonzept inklusive der angebotenen I+ Software auch für Menschen ohne forstliche Vorkenntnisse geeignet ist. Andererseits galt es zu prüfen, ob die selbstständige Durchführung der Auszeichnungsübung das Interesse und Verständnis der Waldbesucher für die integrative Waldbewirtschaftung fördert.
Die ganztägige Veranstaltung begann am Vormittag mit einem zweistündigen Spaziergang quer durch den Wald zum Marteloskop. Auf dem Weg dorthin wurde eine Einführung zur Bewirtschaftung und den Schutz von Eichenwäldern gegeben, da bei den Kursteilnehmern und -teilnehmerinnen keine forstlichen Vorkenntnisse angenommen werden konnten. Anhand von Beispielen wurde das Konzept zur naturnahen Bewirtschaftung von Eichenwäldern in NRW erläutert. Dabei ging es auch um ganz „klassische“ forstliche Themen wie Bestandspflege und Wertholzerziehung. Weiterhin wurde die Bedeutung von Habitatbäumen für den Schutz der biologischen Vielfalt und die unterschiedlichen Mikrohabitate vorgestellt.

Nach der Mittagspause gab es eine kurze Einführung zu dem Marteloskop „Jägerhäuschen“ und zur Nutzung der Software (I+ Trainer). Die Auszeichnungsübung wurde in Kleingruppen mit zwei Personen auf einem halben Hektar durchgeführt, denen jeweils ein Tablet zur Verfügung gestellt wurde. Bereits nach wenigen Minuten hatten sich die „neuen Förster“ in der Applikation zurechtgefunden und konnten die Übung weitgehend selbstständig durchführen. Die Veranstalter hatten eigens eine Übung für diese Veranstaltung konzipiert, bei der Informationen zur Sortimentierung und über die Mikrohabitate der Einzelbäume zur Verfügung standen und so konnten sich die Teilnehmer immer wieder über den monetären Wert der Bäume und der Menge an Lebensraumstrukturen vergewissern, was ihnen die Baumauswahl erleichterte. Die Übung dauerte ungefähr eine Stunde. Am Ende blieb ausreichend Zeit die Ergebnisse anhand ausgewählter Einzelbäume zu diskutieren.
Die Planung und Durchführung eines Simulationsspiels erfordert natürlich eine intensive Vorbereitung der Betreuer, doch es lohnt sich allemal, so war auch die Resonanz der Teilnehmer durchweg positiv, wie die Reaktionen von zwei Kursteilnehmern zeigen: „Es hat mich beeindruckt, wie viele Faktoren ein Förster bei der Auszeichnung eines Waldbestandes zu berücksichtigen hat.“ „Ich werde die Bäume in Zukunft mit anderen Augen betrachten“. Auch für die Kursleiter war die Veranstaltung eine beeindruckende Erfahrung: „Die Veranstaltung war geprägt von vielen konstruktiven Diskussionen. Da die Kursteilnehmer in der Übung konkrete Entscheidungen über den Schutz oder die Nutzung einzelner Bäume treffen mussten, haben sie sich sehr intensiv mit dem Thema integrativer Waldbewirtschaftung auseinandergesetzt.“
Die Veranstaltung im Kottenforst hat gezeigt, dass Marteloskope als Instrument der Öffentlichkeitsarbeit sehr gut geeignet sind. Sie lassen sich in Form eines Simulationsspiels verwenden, die einen realistischen und praxisbezogenen Einblick in forstliches Handeln ermöglichen. Dank der Software (I+ Trainer) können die Teilnehmer innerhalb kurzer Zeit selbständig wissensbasierte Entscheidungen treffen, deren ökologische und ökonomischen Konsequenzen direkt sichtbar gemacht werden. Dies bildet und zudem eine fundierte Grundlage für eine sachbezogene Diskussion über die verschiedenen Handlungsoptionen zur Sicherung der Biologischen Vielfalt im bewirtschafteten Wald.
Weitere Informationen zu Marteloskopen und INFORMAR:
INFORMAR ist ein interdisziplinäres Projekt mit dem Ziel, die aktuellen und zukünftigen ökologischen, gesellschaftspolitischen und wirtschaftlichen Triebkräfte und das Potenzial einer integrierten Forstwirtschaft in Europa zu verstehen. Das Projekt fußt auf drei Pfeilern: Politik – Unterstützung des Europäischen Netzwerks Integrate; Praxis – Koordination des wachsenden Netzwerks von Marteloskopen; und Forschung – Sichtbarmachung von Motivationen der integrierten Forstwirtschaft und Perspektiven des Naturschutzes.
Photos: Klaus Striepen