Co-Design Workshop II im Rahmen des CLEARINGHOUSE-Projekts im Grünlabor in Gelsenkirchen
Welche Bedeutung haben urbane Wälder für unsere Gesundheit, für die Artenvielfalt in unseren Städten – und für die Zukunft unserer dichtbesiedelten Region? Was verbirgt sich unter dem Begriff des participatory mapping und wofür können wir die Software i-Tree verwenden?
Am 9. September 2021 wurden im Grünlabor Hugo diese und weitere Fragen mit 80 Aktiven aus der Bürgerschaft, Politik, Wissenschaft und Verwaltung diskutiert. Die Veranstaltung beinhaltete sowohl Fachvorträge als auch ein World Cafe. Sie wurde vom European Forest Institute, dem Referat Umwelt der Stadt Gelsenkirchen und dem Landesbetrieb Wald und Holz NRW (Regionalforstamt Ruhrgebiet) im Rahmen des CLEARINGHOUSE-Projekts organisiert.
Die Veranstaltung begann mit drei Impulsvorträgen. Nach einer offiziellen Eröffnung durch den Moderatoren Michael Blaschke von Wald und Holz NRW und einer Einführung in die Arbeit des europäisch-chinesischen Forschungsprojekt CLEARINGHOUSE durch Professor Dr. Georg Winkel betonte Dr. Thomas Claßen vom Landeszentrum Gesundheit NRW in seinem Vortrag, wie wichtig Wälder für die menschliche Gesundheit sind. Wir können uns körperlich und mental in der Natur erholen, Wälder und Grünflächen in der Stadt ermöglicht Begegnungen und verbessern auch damit unser Wohlbefinden. Allerdings haben nicht alle Menschen den gleichen Zugang zu städtischen Wäldern – und das muss laut Claßen mehr in den Blick genommen werden. Im zweiten Impulsvortrag beschäftigte sich Professor Dr. Steffen Rust von der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim mit den Ökosystemleistungen urbaner Wälder in Gelsenkirchen. Sein Mitarbeiter Hannes Pillsticker, stellte im Anschluss das Serviceprogramm i-Tree vor. Dieses bewertet baumbezogene Ökosystemleistungen, die Unterstützungs-, Regulierungs-, Produktionsfunktionen und kulturelle Funktionen haben. Was technisch klingt, sah in der Praxis sehr spannend aus: Auf Basis des Baumkatasters der Stadt Gelsenkirchen wurden hier Strukturdaten aufgenommen, Ökosystemleistungen abgeleitet und daraus der ökonomische Wert ermittelt. Den Teilnehmenden wurde deutlich gemacht, wie viele verschiedene Funktionen Wälder erfüllen und wie diese – in Zeiten des Klimawandels – eine zunehmende Bedeutung für das Funktionieren des „Lebensraum Stadt“ haben.
Auf die Impulsvorträge folgte ein World Cafe, bestehend aus neun Thementischen beziehungsweise Diskussionsgruppen, in die sich die Teilnehmenden in jeder der drei Runden neu verteilen sollten.
Am Thementisch „Gesundheit“ wurde, anknüpfend an den Impulsvortrag von Dr. Thomas Claßen, diskutiert, welche „Auswirkungen Ökosystemleistungen der Wälder auf die Gesundheit der Menschen in der Stadt“ haben. Von der schattenspendenden Wirkung in Hitzeinseln über Erholungsfunktionen und Reinigung der Luft – mit steigenden Temperaturen sind wir immer mehr auf diese Ökosystemleistungen angewiesen.
Den Impulsvortrag von Professor Dr. Stefan Rust aufgreifend beschäftigte sich der Thementisch „Grüne Infrastruktur und Ökonomie“ mit den Ergebnissen des Serviceprogramms i-Tree. Dabei wurden mögliche Konsequenzen für die Stadt- und Landschaftsentwicklung Gelsenkirchens diskutiert und betont, dass „Grün“ als Infrastruktur verstanden werden muss, die mit gleicher Wichtigkeit zu betrachten ist wie beispielsweise die urbane Mobilitäts- oder Versorgungsinfrastruktur.
Eine dritte Diskussionsgruppe befasste sich mit der „Regionalen Biodiversitätsstrategie“, unter anderem anhand des Fallbeispiel Industriewald Rheinelbe, ein Hotspot der Artenvielfalt, der einst Zechengelände war. Es wurde deutlich, dass speziell im Ruhrgebiet, einer dicht bebauten Städteregion inmitten eines Transformationsprozesses, eine strategische Planung von großer Bedeutung ist, um wichtige Ansätze der Grünplanung in der Metropole Ruhr weiterzudenken.
An einem weiteren Tisch diskutierten die Teilnehmenden über „Gelsenkirchen als grün-blaue Stadt von morgen“. In Gelsenkirchen soll der Strukturwandel nachhaltig gestaltet werden – und dabei sollen Wälder, Bäume und Wasserwege nicht nur das Klima schützen, sondern auch zur Verbesserung des Images von Gelsenkirchen genutzt werden. Diskutiert wurde auch über gemeinsame, kraftvolle Zukunftserzählungen, an denen sich die Stadt- und Regionalentwicklung orientieren kann.
Straßen- und Parkbäume, aber auch Bäume in privaten Gärten verschönern nicht nur das Stadtbild durch ihre vielfältigen Ökosystemleistungen, sondern wirken sich in dicht bebauten urbanen Räumen auch positiv auf das Klima aus. Am Thementisch “Bäume im Quartier“ ging es unter anderem um die Baum-App der Stadt Gelsenkirchen, die Gießpatenschaften für Bürger*innen fördert und unterstützt. Zudem wurden weitere Möglichkeiten besprochen, um die Stadtbäume Gelsenkirchens zu schützen.
Das Thema citizen science bekam gleich zwei Thementische:
Der eine befasste sich mit participatory mapping, das die Werkzeuge moderner Kartographie mit partizipativen Methoden verbindet. Hierbei werden die Bürgerinnen und Bürger dazu eingeladen, den Wald zu erkunden und in Hinblick auf klimarelevante, ästhetische und emotionale Aspekte zu dokumentieren. An welcher Stelle fühle ich mich wohl? An welcher nicht so sehr? Wer nutzt den Wald? Wann, wo und wie? Jede Erfahrung wird auf einer digitalen Karte verzeichnet.
Der andere Thementisch beschäftigte sich mit Marteloskopen. Das sind kleine Waldflächen, in denen man mithilfe einer hierfür entwickelten Software auf Tablets Bäume anhand ihres ökologischen und ökonomischen Zustands bewerten kann. Ein solches Marteloskop soll bald in Gelsenkirchen entstehen, mit dem Ziel, die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Stadtgesellschaft zu fördern.

Die Diskussionsrunde zum Thema „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (BNE) diskutierte drei Projekte, die zurzeit in Gelsenkirchen durchgeführt werden: Zukunftsstadt 2030+, lernende Stadt Gelsenkirchen und das Umweltdiplom. Urbane Wälder spielen für BNE-Strukturen und Projekte in Gelsenkirchen eine wichtige Rolle, da sie auf vielfältige Weise als außerschulischer Lernort genutzt werden können.
Am Thementisch Kommunikation wurden Möglichkeiten besprochen, wie Wissen und Forschung zu urbanen Wäldern am Besten vermittelt werden können. Insbesondere ging es darum, wie man unterschiedliche Zielgruppen – von Bürger*innen zu Politik zu Wirtschaft – „abholen“, und Nachhaltigkeitsthemen in Bezug zu ihrer eigenen Lebensrealität setzen kann.
Im Anschluss an die World Cafe-Runden konnten sich die Teilnehmer*innen an einem reich- und nachhaltigen Buffet aus frisch geerntetem Gemüsen und Kräutern des Grünlabors Hugo stärken, welches von den aktiven Gärtner*innen des Fördervereins Grünlabor liebevoll zubereitet und gereicht wurde.
Die Zusammenfassung der Ergebnisse wurde eine kurze Angelegenheit, weil die Veranstaltung durch ein heftiges Gewitter im Abspann beschleunigt wurde.
Ablauf und Ergebnisse wurden jedoch – wie auch der 1. Workshop in 2020 – mittels graphic recording anschaulich dokumentiert.

Gespannt schauen alle Organisator*innen auf die kommende Zeit im CLEARING HOUSE-Projekt und laden weiterhin dazu ein, sich im Projekt und darüber hinaus zu engagieren – um Gelsenkirchen gemeinsam nachhaltig zu gestalten.