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“Herkulesaufgabe in Zeiten maximaler Unsicherheit”

Auch wenn unsere Nachrichten derzeit von anderen Themen dominiert werden:  Am Internationalen Tag des Waldes tauchte aus endlosen Pandemie-Wellen und dem Krieg in der Ukraine kurz auch mal wieder das Thema Wald und Klimaerwärmung auf. Die aktuell krassen Temperaturrekorde in Arktis und Antarktis betreffen den Wald zwar nicht direkt, aber selbst Klimawissenschaftler*innen sind beunruhigt über die unerwartet starke Anhäufung von Extremereignissen. Jegliches Mittelmaß scheint dem Wetter abhandengekommen zu sein. Nachdem im Winter noch die Alarmglocken auf der Iberischen Halbinsel läuteten, weil wochenlang alle Niederschläge mit den Tiefdruckgebieten nach Mitteleuropa abgedrängt wurden, hat sich das Blatt jetzt radikal gedreht. Statt Trockenstress sind dort nun Unwetterwarnungen wegen Starkniederschlägen angezeigt. Ich freue mich immer über März-Sonne, aber Wälder und Äcker sehnen sich hierzulande schon wieder nach Feuchtigkeit – es hat ja kaum nennenswert geregnet den ganzen Monat. Der Klimawandel mag von anderen Themen überdeckt werden, ist aber weiter aktuell und alarmierend. Das weiß auch der seit 100 Tagen amtierende Bundesminister Cem Özdemir, der in seinem Grußwort zum digitalen Waldsymposium am Tag des Waldes unterstrichen hat, wie wichtig die Förderung der Anpassungsfähigkeit unserer Wälder in diesen Zeiten ist.  

Die Anpassung von Wäldern und Waldwirtschaft an den Klimawandel wird uns als Thema noch lange beschäftigen. Der Wissenschaftliche Beirat für Waldpolitik (WBW), der die Bundesregierung bei der Gestaltung der Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder unterstützt, hat zu diesem Thema im Oktober ein Gutachten veröffentlicht. Darin werden – basierend auf aktuellen Forschungserkenntnissen – Handlungsempfehlungen in unterschiedlichen Themenfeldern formuliert.  

Im Mittelpunkt steht die Generationenaufgabe, „die Wälder so anzupassen, dass sie auch in Zukunft noch die vielfältigen Ökosystemdienstleistungen erbringen können für uns“ – dies unterstrich der Vorsitzende des Beirats, Prof. Jürgen Bauhus (Universität Freiburg), bei der Vorstellung des Gutachtens letzten Monat. Es geht dabei nicht allein um die Anpassung der Wälder, sondern auch die der beteiligten Systeme, Institutionen und Betriebe. Der Mensch spielt eine entscheidende Rolle bei der Nutzung der Ökosystemdienstleistungen. Wir müssen unser Verhalten neu denken und entsprechend ändern. Dazu gehört auch die Art und Weise, wie wir Informationen über den Zustand des Waldes sammeln und inwieweit wir in der Lage sind Störungen vorherzusehen. Bauhus nennt dies eine „Herkulesaufgabe“ in Zeiten maximaler Unsicherheit. Denn der Wald hat vor allem in den letzten Jahren enorm unter anhaltenden Trockenphasen, Schädlingen und anderen Extremwetterereignissen wie Feuer und Stürme gelitten.  

Das Gutachten des wissenschaftlichen Beirats beinhaltet 13 konkrete Handlungsempfehlungen für waldpolitische Entscheidungsträger und bietet zugleich spannende Einblicke für alle Interessierten in den aktuellen Stand der Forschung. Gleichzeitig wird die Gesellschaft aufgefordert, die Nutzung der Ökosystemdienstleistungen zu überdenken und anzupassen. Die Handlungsempfehlungen umfassen ein breites Spektrum vom Risikomanagement über die Biodiversität und Nutzung des Waldes bis zur Ausbildung und Weiterbildung des Fachpersonals in Forstbetrieben und relevanten Fachbehörden. Der Wissenschaftliche Beirat kann das leisten, weil er interdisziplinär zusammengesetzt ist, und daher verschiedene Perspektiven in die Empfehlungen einfließen. Alle Empfehlungen werden im Konsensprinzip entwickelt und vom gesamten Gremium getragen. 

Das Gutachten umfasst den aktuellen Stand der Forschung und beinhaltet konkrete Handlungsempfehlungen für Entscheidungsträger

Ich bin seit 2020 Mitglied im wissenschaftlichen Beirat und war daher auch an der Erstellung und Präsentation des Gutachtens beteiligt. In diesem Video fasse ich die Empfehlung zum Risikomanagement zusammen. Die Extremereignisse der letzten Jahre verdeutlichen die Größenordnung der Herausforderungen durch den Klimawandel für die Waldwirtschaft. Ökologische Störungen (Dürren, Feuer, Schädlinge…) nehmen zu, gleichzeitig werden sie zukünftig aber noch schwieriger zu verhindern sein. Wir brauchen gezielte Präventionsarbeit, die schon beim Monitoring der Waldbestände beginnt.   

Wir sollten die Herkulesaufgabe der Klimaanpassung der Wälder auf verschiedenen Ebenen angehen. Wir können beispielsweise die Vulnerabilität unserer Wälder gegenüber Störungen durch die Wahl klimaangepasster Baumarten sowie durch Erhalt und Förderung von Mischbeständen aktiv reduzieren. Ein wichtiger Aspekt ist die Sicherung der natürlichen Anpassungsfähigkeit nicht zuletzt auch durch angemessene Regulierung der Wilddichte. Die Wiederbewaldung der Borkenkäfer-Kalamitätsflächen mit vielfältigen Mischbeständen darf nicht von überhöhten Reh- und Hirschbeständen in Frage gestellt werden.  

In kurzen Videos werden die Handlungsempfehlungen aus dem Gutachten zusammengefasst. Dr. Marcus Lindner appelliert an ein Umdenken im Risikomanagement.

Zu einer Auswahl der Handlungsempfehlungen gibt es kurze Videos, in denen Mitglieder des Beirats diese vorstellen. Die Umsetzung der Handlungsempfehlungen soll zu resilienten und anpassungsfähigen Wäldern führen und die Leistungsfähigkeit der Forstbetriebe und beteiligten Institutionen stärken, um die Daueraufgabe der Anpassung an den Klimawandel zu bewerkstelligen. Unser Gutachten soll als Hilfestellung dienen, um weiter eine nachhaltige Nutzung der Wälder zu ermöglichen – trotz Klimawandel, Extremereignissen und weiteren politischen Herausforderungen. 

Zum Gutachten geht es hier.

Die Videos der Mitglieder des Beirats: 0:Einführung zum Gutachten https://youtu.be/qsl6hHfWjj4 1:Resiliente und anpassungsfähige Wälder erhalten und entwickeln https://youtu.be/gA7FN-43ps8 2:Den Waldschutz gegenüber biotischen Risiken verbessern https://youtu.be/LpdmtV65OAA 3:Risikomanagement zum Umgang mit Extremereignissen weiterentwickeln https://youtu.be/ZntJycxJk4Y 4:Biodiversität sichern und erhöhen https://youtu.be/BXrbrLL6gec 5:Boden und Wasser schützen https://youtu.be/VFLSAU_d51U 6:Nachhaltige Holzverwendung fördern https://youtu.be/VT66nQOdc1U 7:Wälder als Orte für Erholung, Sport und Tourismus entwickeln https://youtu.be/__v7HKw1FMw 8:Ökosystemleistungen honorieren https://youtu.be/rdTru2GuEXE 9:Monitoring optimieren https://youtu.be/FhanrEHIk5A 10:Institutionelle Strukturen anpassen https://youtu.be/oJXZx-38VuQ 11:Strategien der Klimawandelanpassung von Wäldern kommunizieren https://youtu.be/yEGYpmixM2U 12:Ausbildung und lebenslanges Lernen neu aufstellen https://youtu.be/8pfiOM-uXpo 13:Forschungskapazitäten stärken, besser vernetzen und neu ausrichten https://youtu.be/NDNGkjyQmKo  

Anm. der Redaktion: Dieser Text wurde von Marcus Lindner mit Unterstützung von Maria Schloßmacher geschrieben. 

 

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